von Patrick Naumann( Mitsegler)
Vor ca. Jahr habe ich per Zufall gehört, dass in Holland auf dem Ijsselmeer ein großes Segelschiff segelt, wo es auch sieben Plätze für Rollstuhlfahrer gibt. Für 620,- € kann man dort eine Woche lang mitsegeln. In den Kosten ist alles enthalten, auch die Verpflegung. Wenn man eine Begleitperson mitbringt muß diese ebenfalls bezahlen. Im Frühjahr 2011 hatte ich mich nun dort angemeldet und vom 10.09.2011-16.09.2011 bin ich gemeinsam mit 16 weiteren Personen (+ Skipper + 2 Matrosen) auf dem Ijsselmeer und Nordsee gesegelt. Organisiert wird diese Reise ein Mal im Jahr von Michael Wolter, Michael Wendt und Kerstin Wendt gemacht, welche selber auch immer mitsegeln und den Verein W+W Segeltörnreisen (www.segeltoern-reisen.de) gegründet haben. Die beiden Männer haben auch selber ein Handicap (ein Rollifahrer, ein "Läufer").Das Schiff heißt Lutgerdina ist über 100 Jahre alt, ca. 35 m lang, hat 2 Masten und vier Segel. Neben dem Skipper (Kapitän) und den beiden Maats (Matrosen), welche immer an Bord sind ist auf dem Schiff Platz für 20 Teilnehmer, wovon sieben Personen Rollstuhlfahrer sein können. Das Schiff ist behindertengerecht umgebaut, mit einem kleinen Fahrstuhl und mit Liftern in den Kajüten und in den beiden großen rolligerechten Bädern. Alle Gänge können mit Rollis befahren werden. Mit dem Fahrstuhl kann man vom Oberdeck zum Unterdeck gelangen. Auf dem Oberdeck hält man sich die meiste Zeit des Tages auf. Dort sind der Steuerstand und die Segel und dort fällt viel Arbeit für die Passagiere an. Egal wie eingeschränkt man ist, helfen muss man in jedem Fall.
Die Passagiere sind 14 Tage vor Reiseantritt erhielten wir eine Teilnehmerliste zugeschickt, mit den Namen und Adressen von den anderen Mitreisenden. So hatte man eventuell die Möglichkeit zusammen nach Holland zu kommen.Die Lutgerdina liegt am Ijsselmeer in Enkhuizen, das ist ca. 350 km vom Josefsheim entfernt. Treffpunkt für alle war Samstagmittags um 12.00 Uhr am Schiff. Anhand der Beschreibung war es gut zu finden Zu den drei Organisatoren von W+W Segeltörn kamen noch weitere sechs Rollifahrer von denen drei eine Begleitperson dabei hatten (für eine notwendige Begleitperson muß man selber sorgen), zwei Mitsegler mit Handicap aber ohne Rollstuhl und drei Personen ohne Handicap. Insgesamt waren wir neun Frauen und acht Männer.Ich hatte als Begleitperson meinen Vater mitgenommen. Viele Mitsegler kannten sich bereits, weil sie schon öfters mitgesegelt waren.
Nach einer kleinen Vorstellungsrunde, der Kajütenzuteilung, einer Sicherheitseinweisung und einer Besichtigung des Schiffes wurden noch einige Lebensmittel eingekauft und am späten Nachmittag legten wir ab und segelten über das Ijsselmeer nach Hoorn.Zum setzen der Segel mussten wir alle auf das Oberdeck und dort viele Knoten lösen, Kurbel drehen und an vielen Seilen ziehen. Danach konnten wir den Wind an Deck genießen. Bei jedem Richtungswechsel mussten wir aber wieder an die Arbeit. Das war sehr spannend und es gibt wirklich für jeden was zu tun Bei der Arbeit hatten wir alle viel Spaß und niemand hat sich gedrückt. Im Hafen von Hoorn haben wir uns einen Anlegeplatz gesucht, wo wir auch übernachtet haben. Das Essen wurde immer von vier Personen zubereitet, wozu wir vorher in Gruppen eingeteilt wurden. Eine Gruppe war immer für das Frühstück zuständig und gleichzeitig auch für einen kleinen Mittagssnack. Eine andere Gruppe für das Abendessen. Die Gruppen mussten dann auch den Tisch decken und den Abwasch machen. Ich war mit meinem Vater und zwei Frauen in einer Gruppe und wir waren insgesamt zwei Mal mit Frühstück/Mittagssnack und ein Mal mit Abendessen d"ran. Ich konnte dabei aber leider nichts helfen. Die Küche ist riesig und man konnte gut für 20 Leute kochen. An den zwei großen Tischen war auch genug Platz, selbst mit den Rollis. Nach dem Abendessen haben wir immer die Reiseroute für den nächsten Tag geplant. Unser Skipper hat uns dann auf einer großen Karte gezeigt, von wo aus wir morgens losgefahren waren und welche Strecke wir an dem Tag zurückgelegt hatten. Danach hat er uns dann die Wetteraussichten für den kommenden Tag vorgelesen und Vorschläge gemacht, was man machen kann und auch gesagt, was auch zu gefährlich werden könnte, je nachdem, wie stark der Wind vorhergesagt war.
Nachdem wir in Horn wieder losgefahren sind führte uns die Route über Alkmar, Amsterdam, den Helder und der Insel Terschelling wieder zurück nach Enkhuizen. Da ab und zu ein sehr starker Seegang mit hohen Wellen herrschte mussten wir öfters Schwimmwesten zur Sicherheit tragen. Die Rollstühle wurden dann mit dicken Seilen auf dem Deck irgendwo festgebunden, so dass wir nicht hin und her rollen konnten.Abends nach dem Essen haben wir uns oft noch die Orte, wo wir zur Übernachtung angelegt hatten angeguckt. Unterwegs haben wir auch einmal plötzlich einen Seehund ziemlich nah an unserem Boot beobachten können. Interessant war es auch, wenn wir durch Kanäle gefahren sind und über dem Kanal Straßen gingen. Da unsere vier Segel ziemlich hoch waren, mussten die Brücken dann hochgeklappt werden, so dass wir drunter durchfahren konnten. Autos und Fahrradfahrer mussten dann ein paar Minuten warten und die Leute haben uns dann erstaunt zugeschaut und gewunken. An einem Abend hat eine Mitreisende im Rahmen einer kleinen Lesung ihr selbst geschriebenes Buch vorgestellt. Darin hat sie ihre Erlebnisse geschildert, die sie in den vorangegangenen Jahren bei Segelfahrten mit der "Lutgerdina" schon gemacht hat. Am letzten Abend haben wir dann als Highlight der Reise ein Nachtsegeln gemacht. Auf der Rückreise von der Insel Terschelling haben wir dann bis ca. 01.00 Uhr im dunkeln gesegelt. Mitten auf dem Ijsselmeer haben wir dann unseren Anker geworfen und somit die letzte Nacht nicht in einem Hafen sondern auf offener See, bei ausnahmsweise ruhigem Wasser verbracht. Nach einer aufregenden Woche waren wir dann Freitagsnachmittags wieder zurück in Enkhuizen an unserem Ausgangspunkt. Wir waren uns alle sehr einig, dass wir auf jeden Fall alle noch mal mitsegeln wollen.